Erläuterungsbericht für den Entwurf zum Neubau der Salvatorkirche zu Breslau
Transkription (APW, AMW, Acten des Magistrats zu Breslau betreffend die Kirche zu St. Salvator, vol. 5 von 1864 bis 1886, III/827, K. 82–86)
BLATT 1
„Erläuterungsbericht für den Entwurf zum
Neubau der Salvatorkirche zu Breslau.
Nach der Errichtungs-Urkunde
für den Bau der neuen Salva-
torkirche vom 25. April 1865
ist die Stadtgemeinde verpflich-
tet, auf einem von ihr zu be-
stimmenden Platze eine Kirche
für 2000 Sitzplätze und 1000 Steh-
plätze zu errichten, und hat der
Unterzeichnete im Auftrage des
Magistrats nach diesen Normen
den in sechs Blatt Zeichnun-
gen dargestellten gewählten
Entwurf ausgearbeitet.
Da der Salvatorplatz, die Baustelle
der abgebrannten Salvatorkirche,
für die bedeutend gesteigerten
Ansprüche an die Größe des neu-
en Bauwerks keinen genügen-
den Raum bietet, so mußte ein
neuer passender Bauplatz ermit-
telt werden, und bot sich als solcher
sowohl wegen seiner ausreichen-
den Größe als wegen seiner an-
gemessenen Lage innerhalb des
Kirchspiels der von der Commune
neuerdings erworbenen Küras-
sier-Reitplatz dar.
Nach der auf Blatt II dargestellten
Situation ist die Kirche ungefähr
auf die Mitte dieses geräumigen“
BLATT 2
„Platzes so gelegt, daß die Hauptfront
und der Haupteingang der Garten-
straße, als das bedeutendsten der an-
liegenden Straßen, gegenüber an-
ordnet ist, dagegen die Kuppel
der Tauentzienstraße als point de
vue dient, wodurch der Chor unge-
fähr nach Nordosten zu liegen
kommt.
Außerdem wäre die jetzige Reitbahn
abzubrechen, die Gabitzer und kleine
Tauenzienstraße auf 60 Fuß zu ver-
breitern, vor den in der Flucht
der jetzigen Kürassier-
Reitställe zu erbauen-
den Wohnhäuser eben-
falls eine 60 Fuß breite
Straße anzulegen, welche die Fort-
setzung der neuen Straße über das
Schlicksche Grundstück bilden wür-
de, und würde der ganze übri-
ge Platz nur für Wege- und
Garten – resp. Latrinen-Anla
gen zu verwenden sein, um
für das auf terassiertem Unter-
bau in bedeutender Breiten- und
Höhen-Ausdehnung sich erhebendes
Bauwerk die nöthige Entfernung
vom Straßenlärm und ange-
messene Standpunkte für die
Betrachtung zu gewinnen.
Die überwiegende Bedeutung der“
BLATT 3
„Predigt beim protestantischen
Gottesdienste und die daraus folg-
gende Nothwendigkeit, womöglich
von jedem Platze aus die Kanzel
sehen zu können macht die Ausschlie-
ßung aller den Blick hemmenden
Pfeiler im Innern der Kirche
wünschenswerth und führte dadurch
indirekt zur Ausschließung der
gothischen drei- oder fünfschiffigen
Anlagen, welche, dem Mittelalter
Entstammend, vortrefflich für den
Katholischen, aber nur aus Noth für
den protestantischen Ritus zu ge-
brauchen sind. Die begrenzte Hör-
barkeit der menschlichen Stimme,
welche erfahrungsmäßig nicht
weiter als bis zur Marginalent-
fernung von etwa 120 Fuß reicht,
giebt ferner das äußerste Maaß
für die Entfernung der Kanzel
von den letzten Plätzen der
Kirche und bedingt dadurch bei der
eventuell nothwendigen Unter-
bringung einer größeren An-
zahl von Zuhörern die Anlage
von Emporen, welche allerdings
praktisch sehr brauchbar, aber für die
einheitliche Wirkung namentlich
BLATT 4
„eines großen Kirchenraumes
stets nachtheilig und daher mit
der wachsenden Größe einer Kirche
möglichst zu verringern sind.
Diese Erwägungen haben zu der
in den Grundrissen auf Blatt I.
und II. dargestellten Anordnung
geführt, welche ein griechisches
Kreuz zeigt, dessen drei gleich
lange Arme zusammen mit der
kuppelbekrönten Vierung den
Predigtraum, während
der vierte Kreuzesarm
mit vorgelagerter halb-
runder Absis den nach
protestantischen Begriffen von
ersteren abzeichnenden Altar-
raum enthält. Die Kanzel ist
hiernach von jedem Punkte der
Kirche sichtbar, vom äußersten
Platze nur 100 Fuß entfernt und
der Predigtraum gestattet eine
sinnvolle Conzentrierung der Gemein-
de um den Mittelpunkt der
Kirche, welcher in seiner räum-
lichen Erhöhung durch die hochstre-
bende, Licht spendende Kuppel
den andächtigen Blick nach oben
lenkt und erhebt. Auch sind zur“
BLATT 5
„Überdeckung der Kreuzarme statt
der ästhetischeren (ökonomischeren?) Kreuzgewölbe
absichtlich Tonnengewölbe gewählt,
deren architektonische Form die
gemeinsame Richtung nach dem
Mittelpunkte des Raumes hin
energisch anzeigt. Die wünschens-
werthe Betonung der Richtung
nach dem Altare andererseits ist
durch die Hervorhebung des Haupt-
einganges, welcher dem Altarraum
gegenüber liegt, erstrebt, während die
beiden seitlichen Kreuzarme nur Neben-
eingänge erhalten. In den drei eben
genannten Kreuzarmen sind, einer-
seits für Aufstellung der Orgel dem Al
tare gegenüber und andererseits zur
nothwendigen Unterbringung der vor-
geschriebenen Anzahl von Sitzplätzen
kleine, architektonisch indessen mög-
lichst untergeordnete Emporen an-
gebracht, deren Eingänge ausnahms-
weise ins Innere der Kirche gelegt
sind, weil die verhältnismäßig sehr
geringe Frequenz nach dem Em-
poren keine Störungen befürchten
läßt.
Die Anordnung der Sitzplätze, welche
Zu 1’ 8’’ Länge und 2’ 7½’’ Tiefe“
BLATT 6
„angebracht sind, geht deutlich aus den
Grundrissen und deren Anzahl aus
der nachstehenden Berechnung hervor.
1. in den drei Kreuzarmen 3.2.14.13 = 1092
2. in dem Kuppelraum 2.20.13 = 520
3. auf den Seiten-Emporen 2 (2.5.9 + 5.12) = 300
4. auf der Orgel-Empore 2.6.8 = 96
summa 2008
Die Anzahl der Stehplätze ergiebt sich aus
folgender Zusammenstellung:
1. an den drei Eingängen 3.5.59 = 725 ☐ Fuß
2. die Mittelgänge in den Kreuzarmen: 3.37.6 = 666 ’’
3. die Seitengänge daselbst 3.2.37.2 = 444 ’’
4. Mittelgänge im Kuppelraum 52.6 = 312 ’’
5. vor den Stufen des Altarraumes 9.52 = 468 ’’
summa 2685 ☐ Fuß
also, wenn 2½ ☐ Fuß für jeden Stehplatz
gerechnet werden:
2685 : 2,5 = 1074 Stehplätze,
wobei der Altarraum und die
Emporen nicht eingerechnet
sind.
Die zwei Ecken zwischen den Kreuz-
armen sind nach der Seite des
Haupteinganges für die Anlage
zweier Glockenthürme, welche auch
mit Kuppeln gekrönt, aber der
Hauptkuppel untergeordnet sind;“
BLATT 7
„nach der Absis zu für die Sakristei und
einer Kapelle, zu Trauungen, Beichten
und anderweitigen geistlichen Handlun-
gen dienend, benutzt.
Der Taufstein steht in dem Mittelgange
der Kirche unmittelbar vor den Stufen
des Altarraumes.
Die größte äußere Länge der Kirche, in
der Plinte gemessen und ohne die Vorhal-
le, beträgt 179’, die größte Breite des-
gleichen 167’, die größte innere Länge
156’, die größte Breite 140’
Die Kreuzarme sind im Lichten 57’
breit, 41’ lang und 81’ bis zum Ge-
wölbescheitel hoch. Die Kuppel hat im
Lichten 60’ Durchmesser und 174’ Höhe
über dem Fußboden der Kirche, wäh-
rend im Äußeren der höchste Punkt
des Kreuzes auf der Kuppel 270’
über dem Terrain liegt. Die in den
Zeichnungen nicht ausgeführten
Construktionen der Dächer über
den Kreuzarmen und der Schutz-
kuppel sind in Eisen gedacht, das
Äußere soll geputzt, die ornamen-
talen Theile dagegen von Sandstein
hergestellt werden. Die ganze Kirche
wird ferner zu unterkellern und
mit Heizungsanlagen zu versehen“
BLATT 8
„sein.
Die Ansichten und Durchschnitte
auf Blatt III bis VI sind im geometrischen
Aufriß so dargestellt, wie dieselben
annähernd perspektivisch wirken sollen,
woraus sich ergiebt, daß bei der wirk-
lichen Ausführung der runde Sockel
des Kuppel-Tambours nicht unwesent-
lich erhöht werden muß.
Die Baukosten werden sich nach über-
schläglicher Berechnung bei einer wür-
digen, aber nicht luxuriösen Ausstat-
tung auf 5 bis 600000 rt [Reichstaler] belaufen, wobei
auf den Quadratfuß bebauter Grund-
fläche ein Einheitssatz von 25-30 rl(?) an-
genommen ist. Die Bauzeit wird
sich, bei energischer Förderung des
Baues voraussichtlich auf mindestens
5 Jahre erstrecken.
Da nach dem Vorstehenden die hier gebotene
Lösung der Aufgabe in den voraussicht-
lichen Kosten so übermäßig die in Höhe
von ca. 140000 rl(?) zur Disposition stehen-
den Mittel überschreitet, so erschien
es geboten, vor weiterer spezieller Bear-
beitung des Projekts dasselbe zunächst
in dieser generellen Form vorzulegen,
um eine Beschlußfassung über eventuelle
Beschaffung größerer Mittel oder über“
BLATT 9
„anderweitige Maßnahmen, welche
auf eventuell leichterem Wege den
gewünschten Zweck erreichen lassen,
herbeizuführen.
Breslau den 25. December 1867.
Der Stadtbaurat
Zimmermann“