Michaeliskirche Breslau
Die neogotische Michaeliskirche war für die katholische Gemeinschaft von Breslau ein Bauwerk von bahnbrechender Bedeutung. Besonders wichtig war der Standort der Kirche im Stadtteil Elbing (poln. Ołbin), also an einem Ort, der die Wiege des Katholizismus in Schlesien bildete. Die Auswahl des Baustils für diese Kirche korrespondiert mit der Suche nach einer adäquaten Architektursprache für den Synagogenbau seitens des Architekten Edwin Oppler und dem bewussten Rückgriff auf die Architektur des Mittelalters, der die historische und geographische Verankerung der neuzeitlichen jüdischen Gemeinschaft in diesem Teil Europas ermöglichte.
Um das Jahr 1130 entstand die Benediktiner-Abtei zum Heiligen Vinzenz im Dorf Elbing, das erst im 19. Jahrhundert nach Breslau eingemeindet wurde. Im Jahr 1529 wurde die Abtei auf Antrag des von Protestanten dominierten Stadtrats vollständig abgerissen und in den folgenden Jahrhunderten war eine kleine Holzkirche das einzige katholische Gotteshaus in dieser Gegend.
Initiiert wurde der Bau einer neuen Kirche von Heinrich Förster (1799-1881), der römisch-katholischer Pfarrer und in den Jahren 1853-1881 Bischof von Breslau war. Förster propagierte eine Erneuerung der katholischen Kirche und ihre Stärkung im protestantischen Preußen, in dem Katholiken diskriminiert und kirchliche Investitionen blockiert wurden. Das Argument, eine Kirche bauen zu müssen, wurde somit mit den Bedürfnissen der Kirchengemeinde begründet, die damals 6.000 Gemeindemitglieder hatte. Bischof Förster verzichtete bewusst auf staatliche Zuschüsse, um sich die Möglichkeit zu bewahren, über die Form der Kirche selbst zu entscheiden.
Die Kirche wurde von Alexis Langer (1825 – 1904) entworfen, der, obwohl er kein Hochschulstudium in Architektur abgeschlossen hatte, theoretisches und praktisches Wissen im Bauwesen erworben hatte und als Architekt, hauptsächlich von katholischen Kirchen, tätig war. Langer wurde vom Kirchenstifter, Bischof Förster, für den er viele Aufträge ausführte, protegiert.
Der Entwurf für die Kirche entstand wahrscheinlich im Jahr 1862, die Zeichnungen von Langer sind leider nicht erhalten geblieben. Ähnlich wie bei der Neuen Synagoge Neuen Synagoge, stellte die Auswahl des Baustils eine bewusste Anknüpfung an das Mittelalter dar. Als Vorbild für die Kirche fungierte der Dom zu Köln. Der gewählte neogotische Stil hatte, ähnlich wie bei der Neoromanik von Oppler, eine tiefere ideelle Bedeutung. Im Jahr 1855 erhielt Alexis Langer eine Auszeichnung in dem außergewöhnlich prestigeträchtigen Wettbewerb für die Votivkirche in Wien und die Breslauer Kirche zeigt ebenfalls viele Analogien zu dieser Konzeption.
Der Entwurf sah den Bau einer Basilika auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes vor, mit einem westlichen Teil mit zwei Türmen. Die monumentale Kirche erhielt auch ein umfassendes ideelles Programm mit theologischen Inhalten, das zur religiösen Erneuerung unter den Katholiken beitragen sollte. Der parallel stattfindende Wiederaufbau des Doms zu Köln weckte das Interesse an der Epoche des Mittelalters und trug zur Verbreitung der Gotik als Stil für katholische Kirchen bei, die im 19. Jahrhundert entstanden. Der Kirchenstifter und seine Baumeister knüpften bewusst an die Formen des Kölner Doms an, was besonders in der Fassade mit drei mit Wimpergen gekrönten Portalen zu sehen ist.
Am 8. Mai 1868 kam es zu einer großen Baukatastrophe - der Nordturm stürzte ein und wurde nicht mehr nach dem Entwurf von Langer vollendet. Der Architekt wurde vom Bau abgezogen und verlor für viele Jahre die katholische Kirche als einen wichtigen Auftraggeber.
Mit dem Wiederaufbau des Turms wurde Carl Lüdecke beauftragt, der im Jahr 1865 ebenfalls am Wettbewerb für die Breslauer Neue Synagoge teilgenommen hatte. Die feierliche Weihe der Kirche fand am 8. November 1871 statt.
Die Michaeliskirche in Elbing ist als einziges der drei beschriebenen Gotteshäuser bis heute erhalten geblieben.
Text: Karolina Jara
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