Salvatorkirche Breslau

Die zahlreichen Konzeptionen für die evangelische Salvatorkirche zeigen das ganze Spektrum der Ideen: von einem kleinen, bescheidenen Objekt, das den bei einem Brand zerstörten Vorgängerbau ersetzen sollte, bis zu einer freistehenden Denkmal-Kirche mit hoher Kuppel. Die Protestanten wechselten mehrfach Standort und Entwurf, weil sie versuchten, mit den ehrgeizigen Plänen für monumentale Gotteshäuser mitzuhalten, die von der katholischen Gemeinschaft und der jüdischen Gemeinde errichtet wurden.

 

Im Jahr 1854 ging die Fachwerkkirche in Flamme auf, die am Salvatorplatz [pl. Czysty] stand 5 , und die ersten Entwürfe von Julius von Roux, die einen Wiederaufbau der Kirche an der gleichen Stelle vorsah, wurden nicht umgesetzt. Im Jahr 1867 wurde entschieden, die Kirche auf den Kürassier-Reitplatz [pl. Muzealny] 6 zu verlegen und ihr eine prächtigere Form zu geben, die entschieden mit der etwa 200 Meter weiter entstehenden Neue Synagoge konkurrieren würde.

In den Jahren 1867-1868 entstanden insgesamt fünf Entwürfe von C.J.Ch. Zimmermann für diesen Standort. Letztendlich wurde keiner von ihnen umgesetzt, die Zeichnungen sind nicht erhalten geblieben, sondern lediglich die Beschreibungen des Architekten in den Berichten des Stadtrats, auf deren Grundlage wir die Veränderungen verfolgen können, die in der Konzeption für den Kirchenbau auftraten.

Die erste Variante war die prächtigste, die in Form und Maßen der Neuen Synagoge ähnelte. Die Kirche auf zentralem Grundriss verfügte über eine Tambour-Kuppel, die außerdem höher als die für die Synagoge geplante sein sollte. Die nächsten Entwürfe von Zimmermann unterschieden sich sehr im Stil und waren immer bescheidener, da versucht wurde, die Kosten für die Errichtung der Kirche, die aus der Stadtkasse finanziert wurde, zu senken.

Die zweite Konzeption sah ein neogotisches, dreischiffiges Bauwerk mit einem Turm von Westen vor.

Die dritte Variante entstand auf einem achteckigen Grundriss mit sechs Absiden und einem Turm. 

In der vierten Konzeption wurde die Kirche auf dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes mit Westmassiv mit zwei Türmen projektiert. 

Die letzte, fünfte Konzeption ähnelte der dritten, also wieder auf achteckigem Grundriss, aber ohne Turm. Alle Konzeptionen für den Kürassier-Reitplatz wurden vom Stadtrat abgelehnt, und es kann nicht unwesentlich gewesen sein, dass damals die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft im Stadtrat stark vertreten waren.
 

Im Jahr 1870 kehrten die Protestanten zum vorherigen Standort am Salvatorplatz [pl. Czysty] zurück 5 und es entstand ein neuer Entwurf von Zimmermann in neogotischen Formen, der noch bescheidener als die vorhergehenden ausfiel. Proteste von Anwohnern führten jedoch zum erneuten Wechsel des Standorts zu einer Parzelle an der Bohrauerstraße [ul. Borowska] 7 und damit einhergehend zu einer deutlich größeren Entfernung des Bauvorhabens zum Ring der Stadtpromenade. Nach mehreren Jahren Bauzeit wurde die Kirche im Jahr 1876 feierlich geweiht.

Das protestantische Bauvorhaben war dennoch ein Effekt vieler Kompromisse und im Vergleich zur Neuen Synagoge 1 und der Michaeliskirche 8 war es im ideellen Sinne weder so wesentlich für die Gemeinschaft, die es durchgeführt hat, noch visuell konkurrierend im Panorama der Stadt. Die Kirche wurde im Jahr 1945 beschädigt und abgerissen. Heute befindet sich an ihrer Stelle das Einkaufszentrum „Wroclavia“.

Im Jahr 2018 entstanden im Rahmen eines deutsch-polnischen Workshops für Studierende fünf hypothetische 3D-Modelle für jeden der Wettbewerbsbeiträge für den Kürassier-Reitplatz. Die 3D-Rekonstruktion anhand der Textbeschreibungen stellt den ersten Versuch dar die Vorschläge von Zimmermann zu visualisieren und darüber hinaus das einzigartige „Wettrennen um die Gotteshäuser“, an dem die drei führenden Konfessionsgruppen teilnahmen, zu vermitteln.

 

Text: Karolina Jara

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